Montag, 30. November 2020

# 131 - "Einmal" - Milestones (1969)

Ich habe euch bereits im April einen meiner Lieblingssongs (# 39 "Paul") vorgestellt - da wurde es höchste Zeit, noch einen weiteren Titel der Milestones heraus zu kramen. Die Entscheidung fiel tatsächlich sehr schwer, denn die Gruppe hat zwar nicht viele Songs veröffentlicht, aber dafür ist so gut wie jeder auf seine Art doch ein sehr besonderer.



MILESTONES

A: Einmal (M: Günter Grosslercher / T: Mathias Schreiber)
B: Der Rattenfänger (M: Günter Grosslercher / T: Alfred Komarek)

1970, WM, 5009


Günter Grosslercher (* 1945) und Robert Unterweger, zwei Mathematik-Studenten im vierten Semester an der TU Wien, musizierten gemeinsam und waren auf der Suche nach einer Sängerin. Mit Beatrix Neundlinger (* 1947), die sich damals im ersten Studienjahr befand, und Rudi Tinsobin wurden schließlich 1968 die "Milestones" gegründet.
Bereits im März 1969 nahmen sie an der von ORF und Ö3 initiierten Casting-Show "Show-Chance" teil, deren ursprüngliches Ziel tatsächlich war, einen geeigneten Kandidaten für den österreichischen Beitrag zum Grand Prix d'Eurovision (= Eurovision Song Contest) zu finden. Die Milestones landeten mit dem Titel "Einmal" auf dem zweiten Platz und qualifizierten sich für das große Finale, das gemeinsam mit den Fernsehanstalten von Deutschland, Österreich und der Schweiz in Mainz abgehalten war. Dort setzten sie sich gegen alle Konkurrenten durch und landeten auf dem ersten Platz.
Kurze Zeit darauf erschien die Single "Einmal" und die erste LP.

1972 gab es größere Umbesetzungen: neu waren Christian Kolonovits (* 1952) und Norbert Niedermayer. In dieser Konstellation vertraten sie 1972 Österreich beim Grand Prix mit dem Titel "Falter im Wind" und belegten Platz 5. Bis zur Auflösung 1975 gab es noch weitere Besetzungswechsel.

Nach der Auflösung wechselten Grosslercher und Neundlinger zu den bereits arrivierten "Schmetterlingen", Niedermayer wechselte zu "Springtime" und Christian Kolonovits wurde zu einem bekannten Komponist und Arrangeur.

Weitere bekanntere Titel aus dem Schaffen der Milestones sind "Paul", "Apfelbaum", "In den neuen, besseren Zeiten" und "An diesem Freitag".


Einmal wird der Stein der Weisen weich
Einmal machen nur die Träume reich
Einmal wird der Schneemann König sein
Einmal fängt der Wind den Alltag ein

Dann wird es heißen - Klingeling
Die Welt ist nur ein Märchending
Mit einem schwarzen Nasenring

Wenn ein Hasenohr die Harfe spielt
Und ein Holzwurm auf das Eisen schielt
Wenn der Purzelbaum den Seiltanz probt
Und der Schlaue seine Dummheit lobt

Refrain

Einmal hängt die Erde fremd im Raum
Dumm wie eine Null am Schellenbaum
Einmal liegen alle Uhren schief
Einmal schreibt uns Adam einen Brief

Dann wird es heißen - schnick und schnack
Die Zeit ist nur ein Schabernack
Erst macht sie tik, dann macht sie tak
Erst macht sie tik, dann macht sie tak
Erst macht sie tik, dann macht sie tak



Das Video ist ein schönes Zeitdokument, zeigt es doch gerade diesen (ersten?) Live-Fernsehauftritt der Milestones im Finale der "Show-Chance". Moderator ist übrigens ein Ö3-Discjockey mit dem klingenden Namen "André Miriflor", aus dem später André Heller wurde.

Zugegeben: Dem geneigten Zuhörer wurde damals doch ein eher spezielles Werk aufgetischt, das zwar durch mehrstimmigen Schöngesang und ansprechendes Arrangement zu gefallen weiß, dessen Text aber definitiv als äußerst sperrig und speziell - vorsichtig ausgedrückt: dadaistisch - daherkommt.

Hat man den Wunsch, eine kohärente Geschichte zu erfahren, dann kommt man bei diesem Song nicht wirklich weit. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Autor damals so hundertprozentig eine Absicht in jeder Textzeile hatte, oder ob man einfach etwas Neues schaffen wollte (was ja per se nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein muss!).
In diesem Zusammenhang würde ich den ganzen Song als Fantasiegespinst über eine potentielle neue Weltordnung sehen, in der sich vor allem das Verhältnis zwischen Mensch und Natur sowie Arm und Reich deutlich verschiebt ("Einmal machen nur die Träume reich - Einmal wird der Schneemann König sein").
Die zweite Strophe fällt da noch deutlicher aus dem Rahmen. Dennoch hier mein absoluter Textfavorit: "Und der Schlaue seine Dummheit lobt". Wie viel Wahrheit steckt doch in dieser Phrase ...

Und am Ende, tja, da kommt die große Erkenntnis: Was wissen wir denn eigentlich überhaupt? War alles nur Traum und Fantasie? Ist alles, worauf wir vertraut haben, vielleicht doch nur den kruden Gedankengängen eines anderen entsonnen und unserer eigene Existenz doch nicht so wichtig in der Geschichte der Menschheit oder des Planeten Erde? "Die Zeit ist nur ein Schabernack" - mehr bleibt mir in diesem Zusammenhang nicht zu sagen.

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