Sonntag, 29. März 2020

# 11 - "Der Hund von Baskerville" - Cindy & Bert (1971)

Tja, der deutsche Schlager. Wie viele Leute haben ihm bereits den Tod vorhergesagt. Und dann tauchte immer wieder eine neue Beatrice Egli oder Helene Fischer aus der Versenkung auf und der große Hype setzte ein.

Heute hab ich ein ganz besonderes Schmankerl vorbereitet. Es ist mein All-Time-Favourite! Die obskurste deutsche Coverversion ever!




Ja, Cindy und Bert. Das deutsche Schlagerduo (vor Florian Silbereisen und Helene Fischer) schlechthin! Wobei Cindy und Bert natürlich Künstlernamen sind. Jutta und Norbert hätte ja nicht so sexy und international geklungen ;)
Jutta Gusenburger (* 1948) und Norbert Maria Berger (* 1945) stammten beide aus dem Saarland und lernten sich 1965 kennen und formierten das Duo "Cindy und Bert". 1967 heirateten die beiden. Ihr gemeinsamer Sohn Sascha, der ebenfalls Musiker ist (Millenials wird sein Hit "Zeig' mir dein Gesicht", unter dem Künstlernamen Berger, als Titelsong der zweiten Big-Brother-Staffel 2000, vielleicht noch ein Begriff sein), wurde 1976 geboren.
Nach einigen gemeinsamen Hits (u. a. "Immer wieder sonntags", "Aber am Abend, da spielt der Zigeuner", "Spaniens Gitarren" oder "Wenn die Rosen erblühen in Malaga") und einer Teilnahme am Eurovision Song Contest (1974 für Deutschland - ABBA gewann!) ließen sich die beiden 1988 scheiden. Cindy machte zunächst solo weiter, ehe die beiden ab Mitte der 90er-Jahre wieder gemeinsam auf der Bühne standen.
2011 nahmen sie an "Cover my song" auf VOX teil und coverten einen Song des Rappers Favorite. 2012 starb Bert mit 67 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.


CINDY & BERT
A: Holly Holy [Holly Holy - Neil Diamond] (M: Neil Diamond / dt. T: Josua Röckelein)
B: Der Hund von Baskerville [Paranoid - Black Sabbath] (M: Terrence Butler, F. Frank Iommi, John Osbourne & William T. Ward / dt. T: Bert Berger)

1971, Cornet 3220

Doch Cindy und Bert mussten sich ihren Platz im deutschen Schlagergeschäft erst einmal erkämpfen. Ihr Weg zu einem der erfolgreichsten Duos dauerte mehrere Jahre an. Hört man sich die frühen Aufnahmen der beiden an, entdeckt man allerdings mehr Ähnlichkeiten mit internationalen Duos wie Sonny & Cher oder Esther & Abi Ofarim. In dieser Zeit versuchen sie zunehmen einen eigenen Stil zu finden, der internationale Einflüsse (beispielsweise auch Gospel) aufweist. Die Lieder sind gut, gehen aber nicht ausreichend ins Ohr. Erst als sich das Erfolgsduo Werner Scharfenberger und Kurt Feltz den beiden annimmt, kommen die Hits - dann aber wirklich Schlag auf Schlag!

Fernweh, Urlaub, Liebe, gute Laune - das sind die Hauptthemen von Cindy & Bert. Gesellschaftskritische Titel wie "Hallo, Herr Nachbar" stehen weniger an der Tagesordnung und das ist auch okay, denn der Rubel rollt und die beiden präsentieren diese Art von Musik souverän. Sie haben ihren "Markt" gefunden.

Doch bis dorthin war es ein weiter Weg und so kam es auch zu dieser Aufnahme und ich habe keine Ahnung, wie das passierte. Ich kann mir wirklich sehr viele verschiedene Szenarien vorstellen, aber wer um alles in der Welt kommt auf die Idee den Titel einer Heavy-Metal-Band zu covern? 
Black Sabbath's "Paranoid" war 1970 ein Riesenhit - das dazugehörige Album kletterte in Deutschland bis auf Platz 2 der Charts. Da wäre doch ein entsprechendes deutsches Cover fällig. Wen nehmen wir dafür? Ach ja, genau, Jutta und Norbert aus Saarbrücken! ;)

Fakt ist, dass die Aufnahmen stattfanden (ich bin begeistert, dass sie die Rechte dafür bekommen haben - viele internationale Bands/Interpreten hatten da ja sehr strenge Regelungen, was mit ihrem geistigen Material passiert) und der unfassbare Text von Bert himself stammt. Das hätte sich Ozzy Osbourne wohl nie zu träumen gewagt - das sein größer Hit von einem deutschen Schlagerduo gecovert wird!

Eigentlich müsste man wirklich annehmen, dass Cindy und Bert damals alle schockieren und verarschen wollten ... aber ich glaube, sie haben das wirklich ernst gemeint. Und das macht die ganze Geschichte noch geiler! ;) 

Das beginnt allein bei dem Thema: Während es in "Paranoid" um das unglückliche Ende einer Beziehung geht - wir kennen das, man macht Schluss, weil man das Gefühl hat, es fehlt einem etwas und danach fühlt man sich nicht besser, weil man merkt, dass einem immer noch etwas fehlt (+ nun, neu dazugekommen, auch körperliche Austauschmöglichkeiten mit der/dem Verflossenen) und wie man danach seine Sinne wieder in den Griff bekommt, hat man sich für das deutsche Cover (ja, wir entfernen uns textlich SEHR weit vom Original) für etwas Literarisches entschieden: nämlich Arthur Conan Doyle. Oder vielmehr seinen Superhero: Sherlock Holmes. In Deutschland lief wenige Jahre zuvor die Erfolgsverfilmung "The Hound of Baskerville" (wir erinnern uns: hound = heulen), aber wie das so üblich ist, muss man ja beim Übersetzen nicht so genau sein ... also wurde daraus "Der Hund von Baskerville". Und somit hätten wir bereits einen prägnanten Titel für unser Schlagerchen gefunden. Bühne frei:

Nebel zieht in dichten Schwaden
übers Meer von Forest Hill
Grün-gespenstisch grinst ein Irrlicht
Es ist Nacht in Baskerville


--> bereits an dieser Stelle ein Sonderlob, solcherlei Poesie bringt das Germanistenherz zum Schlagen (beispielsweise die charmante Alliteration in Zeile 3) bei dieser literarisch-hochwertigen Landschaftsbeschreibung

Wer verbreitet Angst und Schrecken?
Wer vernichtet, was er will?
Jeder sucht sich zu verstecken
Vor dem Hund von Baskerville

Wen er anfällt
Dieser Hund von Baskerville - o yeah
Hat verloren
In dem Kampf um Baskerville - o yeah

--> Das klingt natürlich alles andere als gut, wenn dieser Hund jetzt nicht nur bösartig, sondern auch gefräßig ist. Das muss ja ein ziemlicher Brocken sein.

Und es traut sich keine Seele
In das dunkle Moor hinein
Jeder zittert um sein Leben

Wer wird wohl der Nächste sein?

Gut. Wenn ich weiß, dass da irgendwo ein bösartiger Hund herumschleicht, der gerne Menschen verspeist, ist es legitim, Angst davor zu haben. Muss man aber nun das Leid, nicht mehr in mannigfaltigem matschigen Moor zu marschieren, auch noch kundtun? (gut gelaunte gescheite Germanisten werden in diesem Satz auch Alliterationen finden!) #stayfuckhome sag ich da nur

Bald ist die Mission beendet
Die sein irrer Herr ihm gab
Lautlos, wie er einst gekommen
Schleicht er sich ins Moor hinab

Ah ja. Da haben wir also die Erkenntnis. Eine geheime Mission: CIA, KGB, YMCA? Man weiß es nicht. Vielleicht doch ein geheimes Komplott mit dem Ungeheuer von Loch Ness? Die Antwort liegt wohl tief verborgen im Moor.

Nebel zieht in dichten Schwaden
Übers Moor von Forest Hill
Und verbirgt des Rätsels Frage
um den Hund von Baskerville


Hä!? Ich dachte wir wissen doch jetzt des Rätsels Antwort (es gibt eine Mission, die von einem irren Herrn ausgeht. Fall erledigt. Watson & Holmes können auf ein verdientes Feierabend-Bier gehen). Also Bert echt, da hättest du mit den letzten zwei Verszeilen doch etwas mehr Klarheit reinbringen können, z. B.

Nebel zieht in dichten Schwaden
Übers Moor von Forest Hill
Paranoid-sein ist ein Schaden
wenn man drüber singen will ... oder so ;)


Was aber noch viel großartiger ist, ist dass die beiden mit diesem Song in der beliebten Musiksendung "Hits a Gogo" auftraten. Dieses Zeitdokument samt akkurater Tanzaufforderung von Moderatorin Suzanne Doucet (die heißt wirklich so! und stammt - wie der Name bereits verspricht - aus Tübingen in Baden-Württemberg). Die jungen Boys und Girls stürmen frenetisch - elegant gekleidet und korrekt frisiert - die Tanzfläche, um dort bei ihrem Black-Sabbath-Lieblings-abdance-Song alles rauszulassen, doch dann ertönen ungewohnte Stimmen: Ja, Cindy und Bert are in the house!



Und die beiden präsentieren vermutlich eines der ersten Musikvideos made in Germany! Es ist wie ein Unfall - man will wegschauen, kann aber nicht aufhören hinzustarren! 

Cindy & Bert, vermutlich vor einem gemalten Hintergrund abgestellt, werden erstmal ordentlich benebelt ... äh ... eingenebelt! Nebel macht immer Stimmung, die beiden singen ja auch davon! Gut das es in Forest Hill gerade nicht regnet ;)
Da schwingt auch die adrette Suzanne ihr Tanzbein, wenn so dufte Mucke läuft. Bedeutungsschwangere Blicke von Bert, drei Lagen Wimpern bei Cindy (die Arme kann fast die Augen nicht aufhalten) - beides natürlich Close-up! 

Und alle fragen sich nur: Wie sieht dieses bösartige Monster wohl aus? Doch der Sender hat ein Erbarmen und zeigt es - ohne Kinder und schwache, alte, herzkranke Menschen  noch rechtzeitig warnen zu können - einfach her: Bei Minute 1:06 ist diese Schreckensgestalt zu sehen ... brrr ... mir läuft es in kalten Schauern den Rücken hinab!

Die Kameraführung schwenkt an Cindy entlang, ihr psychodelisch-gemustertes Kleid hilft dabei, die Stimmung weiter anzuheizen, auch Bert kann nicht anders, als seinen Blick von der Kamera abzuwenden. Möglicherweise hat er Nebel in die Augen bekommen. Sein Blick scheint etwas glasig. 

Bei Minute 1:20 schwenken wir auf ein junges Tanzpaar. Ja, bei "Let's dance" bzw. "Dancing Stars" hätte es Höchstbewertungen en masse für diese Leidenschaft, dieses Feuer und vor allem diese Erotik gegeben. So muss tanzen, anno 1971. Aber da gab es ja noch wen? Genau ... Cindy und Bert.
Die beiden dachten wohl auch schon, dass bald Schicht im Schacht ist, werden dann aber auf spektakuläre Weise (das sind noch Effekte) fast unsichtbar "ins Bild geschoben". Während Bert wirkt, als wäre er ausgestopft (wow, der kann echt lange nicht blinzeln), offenbart Cindy's Schlafzimmerblick ganz andere Dinge ... so, ich brauch jetzt eine Zigarette. Und Suzanne auch: "Genug getanzt!"


Für den Song vergebe ich fünf von fünf Hundeknochen und zwei Paar Fakewimpern für diese atemberaubende Performance!

Ich hoffe ihr bekommt jetzt keine Alpträume. Falls doch, braucht ihr nur Angst haben, wenn ihr euch in der Nähe eines Moores befindet! Hey ... was war das für ein Heulen? Hallo ... wie kommen Sie in meine Wohnung hinein ... hallo ... nein, lassen Sie mich, Hilfsfsöfnei isdfjsdöfosofdfs ...
[The End]

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