Dienstag, 31. März 2020

# 13 - "Berge sind anders als Täler" - Enny Blank (1973)

Ja, die Liebe ... es gibt doch kaum etwas Schöneres auf der Welt, als einem Menschen tiefste Empfindungen auszusprechen. Lobo hat das 1972 auf unnachahmliche Weise mit "Baby, I'd love you to want me" geschafft, auszusprechen, was (unerfüllte) Liebe aber noch alles sein kann. Michael Holm hat dann später diesen Schmachtfetzen auch auf deutsch gecovert ("Baby, du bist nicht alleine"), konnte damit aber nicht an die großen Chart-Erfolge (u. a. #2 der US-Charts!) von Lobo, der den Song auch selbst geschrieben hat, anknüpfen.
Im deutschsprachigen Raum dauerte es allerdings etwas länger, bis Lobo damit einen Hit verbuchen konnte. Erst als der Song in der legendären Krimiserie "Der Kommissar" gespielt wird, schafft er auch hier den Hit.

Doch wir widmen uns heute einer anderen Coverversion, die augenscheinlich tatsächlich vor der bekannteren von Michael Holm erschienen ist.

(Genau lässt sich das schwer feststellen, aber Michael Holm hatte im November '73 einen Fernsehauftritt in der ZDF-Hitparade damit und eine andere Sängerin, deren Single die Produktionsnummer 6003 302 - also vier nach der folgenden - trat in der gleichen Sendung im Juni '73 auf, was dafür sprechen würde, dass die Holm-Produktion später veröffentlicht wurde.)




ENNY BLANK
A: Berge sind anders als Täler [Baby, I'd love you to want me - Lobo] (M: Roland LaVoie / dt. T: Horst Heinz Henning)
B: Herz (M: Heinz von Dugen = Horst Heinz Henning / T: Max Mainzel = Christine Neuhausen)

1973, Philips 6003 298

Nun, wenn man über den Titel "Berge sind anders als Täler" gestolpert ist, dann wird man feststellen: "Mmmh ... mit dem Original hat das aber nicht so viel zu tun!?" - Richtig: Diese Version ist deutlich rustikaler und nur auf den zweiten Blick ... äh ... das zweite Ohr als Lobos Song erkennbar.

Doch zuerst einmal, wer ist denn diese Interpretin, die einem in der gestreiften Bluse so fröhlich und nett-adrett entgegen lächelt? Dabei handelt es sich um die 1949 geborene Enny Blank (richtiger Name ist nicht bekannt). Blank wurde bereits mit 16 Jahren als jüngste Schülerin des Nürnberger Meistersinger-Konservatoriums ausgebildet, stieg aber bereits nach zwei Jahren aus - Klassik war nicht ihr Weg. Sie nahm Schauspielunterricht, spielte am Gärtnerplatztheater und begann eine Schlagerkarriere, die drei (verkaufstechnisch mäßig erfolgreiche) Singles überdauerte. Das lag aber nicht an ihrer Stimme (immerhin hat sie vier Oktaven - zugegeben, das hört man bei dieser Aufnahme nicht so wirklich), sondern an einer verpfuschten Operation inklusive Blutvergiftung, die einen fast zehn Jahre dauernden Überlebenskampf mit sich brachte - was nicht nur ihr ganzes Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellte, sondern auch das Ende ihrer Gesangskarriere bedeutete.
In den 80er-Jahren wagte sie ein Comeback und sang mehr als 25 Jahre lang auf den verschiedensten Kreuzfahrtschiffen (bis sie dort ihren Mann kennenlernte). Heute nennt sie sich Sarah Laux und singt großteils Chansons von Edith Piaf und eigene Titel - augenscheinlich mit Erfolg. Über ihre Kreuzfahrterlebnisse veröffentlichte sie kürzlich ein Buch.
In Sammlerkreisen erzielen Enny-Blank-Schallplatten aber gute Verkaufserlöse. Die hier vorgestellte wechselt meist für knapp dreistellige Beträge die Sammlungen - vor allem in den Niederlanden, wo der Titel scheinbar häufig in diversen Piratensendern zu hören war.

Dass die vorliegende Platte kein Hit wurde, liegt meiner Meinung nach weniger an den Gesangskünsten und Bemühungen von Enny Blank, sondern eher an der bescheidenen Textadaption und dem Umtata-Arrangement, der die Zartheit des Originals ziemlich brachial zerstört.

Berge sind anders als Täler
Aber ich glaube, dass ist ein Fehler
Riesen sind anders als Zwerge
Täler und Berge

Müssen sein auf dieser Welt

"Einmal", sprach der Berg zum Tal
"Komm, besuch' mich doch einmal
Denn hier oben, du wirst seh'n
Ist die Welt so weit und schön"

"Lieber Berg", sprach da das Tal
"Ist bei mir die Welt auch schmal
Aber eines glaube mir
Es ist sehr gemütlich hier"

Refrain

Dieses Gleichnis der Natur
Sagt uns Menschen schließlich nur
Dieser Unterschied muss sein
Auch bei uns, das seh ich ein

Refrain

Jede Größe sei gelobt
Doch wenn sie vom Sturm umtobt
Denkt der Berg vielleicht einmal:
"Wär' ich lieber doch ein Tal"

Refrain


Ja, da hat Horst-Heinz Henning, erfolgreicher Komponist und Texter, der in seinem "Stall" damals u. a. Lena Valaitis und Ramona Hits bescherte, dieses Mal echt daneben gegriffen.
Zugegeben, HHH war nicht gerade für die allerliterarischsten Veröffentlichungen am damaligen Markt bekannt. "Lieber mal weinen im Glück", "Durch Texas fährt die Texasbahn", "Ob es so oder so oder anders kommt", "Lächeln ist der Weisheit letzter Schluss", "Jedes Rädchen im Getriebe" oder "Lady Sweet Souvenir" klingen nicht unbedingt nach literarischen Perlen - waren sie meist auch nicht. Und Unterhaltungsmusik ist ja auch absolut legitim. HHH hatte ja durchaus Erfolg damit und durchaus auch einige Hits zu verantworten ...

So haben wir hier einen Tatsachenbericht aus der Vorstandssitzung von Mutter Natur: Der Berg hätte gerne, dass das Tal gefälligst - endlich - einmal zum Gegenbesuch antanzt und das Tal bemerkt natürlich nicht, wie sehr es den Berg verletzt und reibt ihm auch noch unter die steinige Nase, dass es aus Bequemlichkeit gar nicht dran denkt, sich in Gang zu bewegen. An dieser Stelle hätte man doch zumindest eine, die Situation etwas beruhigende, Notlüge wählen können (Höhenangst zum Beispiel oder eine schwierige Kindheit), aber nein, Fehlanzeige. Ein schwerwiegender Konflikt bahnt sich an.
Und wie hilft Enny dieses Problem zu lösen? Genau, gar nicht. Aber gut, wie soll sie auch. HHH hat ihr dazu ja nur Weisheiten aus der bunten literarischen Welt der Abreißkalenderblätter gegeben und sie erkennt zumindest den Unterschied zwischen den beiden an. Zu einer Lösung trägt das freilich nicht bei.
Da der Berg aber nun traurig ist, versucht sie noch abschließend beide positiven Fakten darzulegen, was allerdings scheitert und dazu führt, dass der Berg ein schweres Traumata entwickelt, sich selbst aufgeben und eine neue Identität annehmen möchte. Ganz toll gemacht. So löst man Probleme!









Für diese eigenwillige Coverversion vergebe ich fünf von fünf Bergen, die ich gerne versetzen möchte, um das Selbstwertgefühl selbiger wieder zu stärken. Dafür, dass man noch Randgruppen wie Zwerge mit ins Boot holt, müsste ich freilich noch zwei extra Berge vergeben, da ja allgemein bekannt ist, dass Zwerge hinter sieben Bergen wohnen ...

Egal. Im Vergleich das Original von Lobo. Klingt dann doch ein bisschen anders (und eignet sich auch besser zum Klammer-Blues tanzen) ... ;)




Als Tipp von mir: Nach der Krise bitte Berge UND Täler gleichermaßen besuchen. Die beiden leiden aktuell bereits genug. Sollten Sie sich aber gerade im Burgenland oder den Niederlanden befinden, ja, dann müssen Sie sich etwas weiter bewegen, um auch mit Bergen in Kontakt zu kommen. Ich sage nur eines - wenn man mich fragen würde: Berge sind anders, Täler auch. In diesem Sinne: Gutes Gelingen!

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