Mittwoch, 24. Juni 2020

# 98 - "Dance, Bunny Honey, dance" - Penny McLean (1977)

Mit großen Schritten nähern wir uns Post #100! 💗ֺ Heute gibt es zur Abwechslung wieder einmal etwas Englisches. Da die Interpretin aus Österreich und das Team um die Scheibe auch aus dem deutschsprachigen Bereich stammen, zählt es sowieso als "deutsche" Produktion.



PENNY McLEAN
A: Dance, Bunny Honey, dance (M: Stefan Klinkhammer / T: Michael Kunze)
B: Summernight Stomp (M: Stefan Klinkhammer / T: Michael Kunze)

1977, Jupiter, 11 313 AT
produziert von Michael Kunze


Wenn man 1946 als Gertrude Wirschinger in Klagenfurt geboren wird und Ambitionen in Richtung Rampenlicht hat, dann kommt man um einen Künstlernamen nicht drum herum.

Bevor wir uns nun ihrer Biographie genauer widmen, hier eine spezielle Quizfrage:

"Ihr bürgerlicher Name lautet Gertrude Wirschinger. Bitte suchen Sie sich einen international klingenden Künstlernamen aus?"
A) Tjorven
B) Barbi Münzer
C) Barbra
D) Penny McLean

Die richtige Antwort lautet natürlich E! Gertrude Wirschinger ist unter all diesen Künstlernamen aufgetreten.

Nach ihrer musikalischen Ausbildung in Klagenfurt machte sie Mitte der 60er-Jahre eine Ausbildung zur Erzieherin in München. 1967 heiratete sie den Komponisten und Schauspieler Holger Münzer, mit dem sie von 1966 bis 1969 als "Holger & Tjorven", mit Folksongs und Chansons, auftrat. Nach der Scheidung versuchte sie es solistisch und als Duettpartnerin von Helmut Frey ("Barbra & Helmut" sowie in einem Trio mit Antony & Liza Monn), dies war der Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Produzent Michael Kunze.

Produzent Kunze ließ Gertrude Münzer, wie sie nach ihrer Hochzeit hieß, bald englisch singen und versuchte sie international zu vermarkten. Ihr Song "Lady Bump", der 1975 veröffentlicht wurde, erreichte Platz 1 der Charts und Goldstatus in Deutschland. Parallel entwickelte sich der "Bump" zu einem Modetanz, der für einige Jahre beliebt blieb. (In Corona-Zeiten wäre das wieder eine ganz praktische Ausgrabung, da hauptsächlich das menschliche Hinterteil bei diesem Tanz zum Einsatz kommt!)
Parallel dazu wurde sie, die damals auch als Backgroundsängerin in München tätig war, Mitglied der Formation "Silver Convention". Die aufkeimende Disco-Welle ermöglichte ihnen mit "Fly, Robin, fly" #1 der US-Billboard-Charts (+ mehr als eine Million verkaufte Platten in USA). Kunze wurde für seine Silver-Convention-Produktionen mit einem Grammy ausgezeichnet. 1977 vertritt sie als Teil von Silver Convention Deutschland mit dem Titel "Telegram" beim Eurovision Song Contest und belegt Platz 8.
Nachdem der kommerzielle Erfolg der Gruppe nachließ, fokussierte sie sich wieder auf ihre Solokarriere. Sie veröffentlichte später neben zahlreichen englischen Platten auch zwei mit deutschen Titeln ("Zwischen zwei Gefühlen" und "Wenn die Träume Flügel kriegen").

Seit den 80er-Jahren machte sich Penny McLean als Autorin über Numerologie und Esoterik einen Namen. Sie gibt regelmäßig Vorträge, Kurse und Seminare. Ihr aktuellstes Buch stammt aus dem Jahr 2018 und trägt den Titel: "Gestorben ist noch lang nicht tot. Was uns wirklich im Jenseits erwartet".

Ihre größten Erfolge solistisch waren: "Lady Bump" (1975, #1 DE & AT), "1, 2, 3, 4 ... Fire!" (1976, #3 DE, #11 AT), "Devil Eyes" (1976, #21 DE), "Nobody's Child" (1977, #49 DE) und "Dance, Bunny Honey, dance" (1977, #26 DE).

Nun zu unserem heutigen Song:

Dance! Dance! Dance!
Dance, Bunny Honey, dance - dance
Dance, Bunny Honey, dance - dance
Dance, Bunny Honey, dance - dance
Dance, Bunny Honey, dance

In a room full of strangers
She's waiting on tables every night
Her face always smiling
She's hiding her feelings deep inside

She's laughin' and talkin'
Drinkin' champagne with everyone
Getting up to the dance floor
When the dirty old man says: 'Let's have fun'

Refrain

It isn't hard to realize
Her smile is only her disguise
There are tears in her eyes

A girl from the country
One morning she left her parent's home
She came to the city to live the good life
She'd never known

The lights and the music
Made her believe she would be free
But now she's a puppet
When the dirty old man says: 'Come with me'

Refrain

It isn't hard to realize
Her smile is only her disguise
There are tears in her eyes

Refrain



Na, das ist ja mal ein interessanter fröhlicher Discosong! Blöderweise habe ich aber den Text ein bisschen zu genau gelesen ... denn so "easy listening" ist die Story von "Bunny Honey" definitiv nicht.

"Bunny Honey" wartet jeden Abend lächelnd darauf, dass sich ein Freier ... äh ... freier Mann ihrer annimmt. Doch hinter ihrem Lachen sind Tränen verborgen, denn ihr Inneres bleibt tief verborgen. Am Programm stehen Champagner trinken und tanzen, bis der widerliche alte Typ sagt: "Komm, lass uns Spaß haben". Und dann tanzt Bunny Honey ... 
Dass hinter ihrem Lächeln, das nur Fassade ist, Tränen verborgen sind, ist eigentlich leicht zu erkennen - wenn nur jemand genau hinschauen würde.
"Bunny Honey" stammt aus einfachen Verhältnissen vom Land. Eines Morgens verließ sie ihr Elternhaus und ging in die Stadt, um ein besseres Leben, das sie bisher nicht kannte, zu führen.
Die Lichter und die Musik im Etablissement, geplatzte Träume. Sie dachte, sie würde hier frei sein, aber jetzt ist sie nichts weiter als eine Marionette, die springen muss, wenn ein Typ mit ihr aufs Zimmer will.

Uff ... die Story "Aus dem Leben einer (Zwangs-)Prostituierten" ist schon ein ziemlicher Stimmungskiller. Irgendwie strange, dass zu dieser Story dann so eine fröhliche Up-tempo-Disco-Spaß-Melodie gemacht wurde ... 

Das Video von Pennys Auftritt hat durchaus einen skurrilen Touch. Videotechnisch spektakulär eingefangen (man beachte die damals wirklich revolutionäre Blue-Screen-Technik) shaked und schüttelt Penny alles was sie hat. Böse Zungen behaupten ja, dass sie großteils aus Beinen, Zähnen und Haaren bestand. Ein Umstand, den ich nicht bestätigen möchte.
Dennoch wirkt ihr Erscheinungsbild für eine 31jährige Frau, die sich ihren Lebensunterhalt als Discosängerin verdingt, doch etwas bieder und verbreitet eher den Charme einer Sekretärin in einem mittelständischen Unternehmen oder Verkäuferin eines Schreibwarenladens. Aber Penny gibt alles - und unter dem Motto "Viel hilft viel" wurde weder an Fönfrisur, Polyesterpulli noch Kajal (da wird selbst Cleopatra blass!) gespart. Ihre Tanzambitionen versuchen den "Tanzbarkeitsgrad" des Songs ins Unermessliche zu steigern, bebildern aber doch eher die zweifelhafte Motivation, da die gute Penny vermutlich tatsächlich weiß, was der Text, den sie da zum Besten geben darf, bedeutet (auch wenn dieser Umstand in den Refrainpassagen wie weggeblasen ... pardon ... erscheint). Und das Schicksal einer Frau im Rotlichtgewerbe ist jetzt nicht unbedingt der 1A-Party-Dancefloor-Knaller. Und auch das pathetische Greifen ins Gesicht, bei der Stelle mit den "Tränen in den Augen" wirkt bloß wie ein billiges Mitleidserhaschen, das noch kurz vorm Ende des Songs noch halbherzig hingeworfen wird. Aber immerhin hat sie sämtlichen Familienschmuck angelegt und die Fingernägel frisch lackiert (rot natürlich!). Immerhin wirft sie sich danach - drehend und headbangend - voll in den Song, aber das reißt zu dem Zeitpunkt leider auch nix mehr aus ...

... und auch wenn heute am Abend die Lichter wieder ausgehen, wird sich "Bunny Honey" noch immer an ihrer Stange drehen und sich wünschen, dass aus dem alten Radio heute hoffentlich nicht wieder dieser Song läuft, der ihr so drastisch vor Augen führt, wie leer ihr Leben eigentlich ist. Oder darauf hoffen, dass ihr der nächste Typ, der kommt, vielleicht einen Ausweg, zurück in ihr altes Leben, bietet. Dance ... dance ... dance ...

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