Sonntag, 28. Juni 2020

# 100 - Musical "Fäustling" - Wolfgang Ambros & Joesi Prokopetz (1973)

Endlich ist es soweit: Der 100. Blog-Eintrag ist tatsächlich online! Ich muss ehrlich sein. Zu Beginn der Corona-Entwicklung hätte ich gedacht, dass es sich dabei tatsächlich nur um eine kurze und vorübergehende Maßnahme handeln wird. Das mein Leben auch noch 3,5 Monate nach dem Lockdown alles andere als "Normalität" erreicht hat, hätte ich nicht erwartet. Dennoch fühle ich mich in vielerlei Hinsicht "reicher" als zuvor - in Bezug auf Freundschaften, Zeit und neuer Erkenntnisse, die ich mir in den letzten Wochen und Monate machen konnte.

Für den Jubiläumsbeitrag habe ich ganz tief in meine Trickkiste gegriffen und etwas ausgegraben, das vermutlich die wenigsten kennen: Ein Musical von Wolfgang Ambros. Okay, jetzt werden einige sagen: "Ge bitte, hör mir auf mit diesem 'Watzmann'!" - was ich durchaus verstehen kann. Allerdings handelt es sich bei diesem künstlerischen "Frühwerk" um ein anderes. Nämlich den "Fäustling", eine Wiener Adaption von Goethes "Faust".


Musical "Fäustling"
Musik und musikalische Leitung: Wolfgang Ambros
Text und Regie: Josef "Joesi" Prokopetz
Arrangements: Christian Kolonovits

Uraufführung am 19. Mai 1973 im Rahmen der Wiener Festwochen

Cast:
Heinrich Fäustling, Beamter - Alexander Wächter (* 1948)
Teufel - Wolfgang Ambros
Grete, Sekretärin - Elga Weinberger (* 1948)
Erdgeist - Uzzi Förster (1930-1955)
Frau Smeditschek, Friseurin - Angelica Schütz

sowie Michael Fischa, Agota Littasy, Ingrid Nowara, Eduard Schmiege, Lisa Ungar und die "Milestones"


Die musikalische Karriere des 1952 geborenen Wolfgang Ambros begann gleich mit einem Hit. 1971 schlug "Da Hofa" (geschrieben von Joesi Prokopetz) wie eine Bombe ein und landete sofort auf Platz der Ö3-Hitparade, an deren Spitze er sich acht Wochen hielt. Ambros, der zuvor eine Lehre zum Siebdrucker machte, veröffentlichte kurz darauf sein erstes Album. Mit den Nachfolgetiteln konnte er aber nicht an seinen ersten großen Erfolg anknüpfen. Für Aufregung sorgte 1973 der Titel "Tagwache", der sich gegen das österreichische Bundesheer und den damaligen Verteidigungsminister Lütgendorf richtete. Das Lied wurde daraufhin vom ORF boykottiert. Nach dem "Fäustling" entwickelte Ambros gemeinsam mit Joesi Prokopetz und Manfred Tauchen 1974 das Konzeptalbum "Der Watzmann ruft", das nach wie vor regelmäßig aufgeführt wird.
Seinen nächsten Nummer-1-Hit landete Ambros erst 1975 mit "Zwickt's mi". Weitere Hits sind "Es lebe der Zentralfriedhof" und "Schifoan". 1997 formierte er sich mit Rainhard Fendrich und Georg Danzer zu "Austria 3", die bis zu Danzers Tod regelmäßig gemeinsam auftrat. Ambros ist bis heute musikalisch aktiv.

Josef "Joesi" Prokopetz, ebenfalls 1952 geboren, begann 1969 erste Texte zu schreiben. Neben bereits angeführten Titeln stammen auch "Du bist wia de Wintasunn", "Baba und foi net" und "Die Blume aus dem Gemeindebau" aus seiner Feder. Große Erfolge feierte er in den 80er-Jahren als Mitglied und Songwriter der NDW-Gruppe "DÖF" (mit Manfred Tauchen sowie Annette und Inga Humpe). In diesem Zusammenhang seien vor allem ihre Hits "Codo" und "Taxi" zu nennen. Auch als Solist schaffte es Prokopetz mit "Sind Sie Single?" zu einem Nummer-1-Hit.



Mit einer Umwandlung von Goethes Faust zum wienerischen Dialektstück "Fäustling" entstaubten Ambros und Prokopetz nicht nur die Wiener Festwochen, sondern auch die österreichische Popkultur. Über die Produktion und Neo-Regisseur Prokopetz wurde vielfach medial berichtet. Die Süddeutsche Zeitung äußerte sich darüber beispielsweise: "Aus den Regiefehlern des Prokopetz könnten Generationen von Reinhard-Seminaristen etwas lernen."

"Die Handlung orientiert sich am großen Vorbild. So wie Heinrich Faust immer mit der Wissenschaft unzufrieden war, ist Heinrich Fäustling mit seinem Beamtentum unglücklich und sehnt sich nach dem Ausstieg aus der gutbürgerlichen Welt. Am Ende des Stücks gibt sich Fäustling dem Haschisch und sexuellen Orgien hin und tritt somit 'in die Welt der Hippies und Gammler' ein, so Prokopetz. Fäustling fühlt sich, befreit von den Zwängen des Alltags, erstmals als Mensch und zitiert die Kernbotschaft des Stückes: 'A Mensch und menschlich muass ma sei!'." (Kronen Zeitung, 12. November 2012)

Am 23. September 1973 strahlt der ORF die, von Peter Rapp moderierte, Jugendsendung "Spotlight" aus, in der Ausschnitte aus dem Musical gezeigt werden. Ein wahrlich beeindruckendes Zeitdokument!

(beim Video kommt eine Fehlermeldung - wenn ihr "auf YouTube ansehen" anklickt, könnt ihr es sehen)


- 0:40-2:45: "I bin da Teifl" (Wolfgang Ambros als Teufel und Alexander Wächter als Fäustling)
- 2:46-5:17: Interview Peter Rapp mit Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz
- 5:18-8:44: "Heat's es mi, es Dämonen" (Alexander Wächter als Fäustling und Uzzi Förster als Erdgeist)
- 9:17-11:50: "Halb acht" (Alexander Wächter als Fäustling und Elga Weinberger als Grete)

Elga Weinberger wurde bald darauf zu Österreichs bekanntester "Fernsehtante" im Kinderformat "Am dam des", während Alexander Wächter vor allem als "Nudlaug" in der Fernsehserie "Ein echter Wiener geht nicht unter" Bekanntheit erlangte.

Mein persönliches Highlight ist definitiv die Szene zwischen Fäustling und Grete im feinsten Wienerisch. Kein Wunder, dass Grete "diesem Charme" (trotz Lebensabschnittsgefährten) über kurz oder lang nicht entziehen kann. 

Literarisch hat sich Prokopetz als Songwriter später deutlich gesteigert. Dennoch präsentiere ich euch hier noch ein paar der "Hits" aus dem Fäustling-Musical ;)

"A Kopf ohne Hoor" (Angelica Schütz)


"Es is jo net, doss ma red" (Ensemble)


"Die Zeit" (Ensemble)



"Unmoralisch" (Wolfgang Ambros)


Und mein persönliches absolutes Highlight:

"Wia a Schreibmaschin" (Elga Weinberger)
in dem Grete ihren "harten" Arbeitsalltag beschreibt ;)



Die Doppel-LP, die 1973 bei Atom erschien, wurde 2012 - anlässlich des 60. Geburtstags von Wolfgang Ambros - als Doppel-CD-Album wiederveröffentlicht.

Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem 100. Post (und den 99 davor) eine kleine Freude bereiten und ihr habt daran mindestens genauso viel Spaß gehabt wie ich! ;) Schauen wir mal, was die Zeit so bringt und ob wir uns in hundert Tagen beim 200. Post wiedersehen. Ich werde auf jeden Fall weitermachen und hoffe, dass ihr mir gewogen bleibt und wieder einmal vorbei schaut! :)

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