Freitag, 17. April 2020

# 30 - "Fluffy'" - Gloria Balsam (1980)

Heute feiere ich mit euch den ersten Monat dieses Blogs. Die wohl 30 sonderbarsten Tage meines Lebens liegen hinter mir. Angereichert mit vielen schönen Momenten und ebenso vielen traurigen. Hoffnung, Perspektivlosigkeit, Optimismus, Ratlosigkeit, Freude, Trauer, Glück und Leid gaben sich stets die Klinke in die Hand.
Was ist geblieben? Was ist mir eigentlich in meinem Leben wichtig? Was ist wichtig, was verzichtbar? Wo liegt der Sinn? Fragen über Fragen, auf die ich auch heute - etwas mehr als einen Monat der "menschlichen Entbehrungen" noch keine Antwort gefunden habe. Und vermutlich auch so schnell nicht finden werde.

An solchen Tagen ist dieser Blog zu einer angenehmen Ablenkungen geworden. Eine tägliche Aufgabe, zu der man sich aufraffen muss. Und am Ende des Tages ein kleines Sinnbild dafür, dass man zumindest "etwas" geleistet hat. Zudem treibt es mir selbst meist ein kleines (oder sehr großes) Lächeln ins Gesicht und all die Skurrilitäten lassen mich ein bisschen vergessen und helfen mir dabei, das Kopfkino klein zu halten und mich mit kindlicher Naivität an den vielen Kleinigkeiten des Alltags zu erfreuen.

Zum 1-Monats-Jubiläum daher etwas Besonderes: Heute sogar in englischer Sprache!




GLORIA BALSAM
A: Fluffy (M: Richard van Dorn / T: Davey Sayles)
B: Rockin' high Hopes (M & T: Sammy Cahn & Jimmy van Heusen) 

1980, Richmond Records, RICH 3
produziert von Richard van Dorn


Gloria Balsam ist definitiv das Skurrilste und Schrägste, das mir jemals untergekommen ist. Ich würde sie als "Florence Foster Jenkins der 80er-Jahre" bezeichnen.

"Not many have heard 'Fluffy', but the few that have will never forget it."

Dieses Zitat spricht bereits Bände.

Nun aber ein paar Facts zu Gloria Balsam. Gloria wurde Ende der 50er-Jahre als Cynthia Frantz in Philadelphia geboren. Die Familie zog mehrfach um. Für Cynthia, die Tochter eines in den Niederlanden geborenen Bürgerrechtlers und einer Mutter mit "Spionage-Neigung", war es schier unvermeidlich, dass sie von der Bühne und öffentlichen Auftritten wie magisch angezogen wurde. Während ihrer High-School-Zeit in Kalifornien, kam sie mit der "Pre-Punk-Underground"-Szene in Kontakt und knüpfte hier erste Kontakte. Es folgten Auftritte in verschiedenen Formationen, ehe sie die Möglichkeit bekam, in einer TV-Show aufzutreten (es wurde bewusst jemand gesucht, der möglichst wenig Gesangstalent besitzt). Und dieser Auftritt schlug ein und führte letztlich zu ihrer einzigen Schallplattenaufnahme "Fluffy". Doch es war schwierig, die Kosten für diese Produktion zu übernehmen.
An einem Frühlingstag 1978, als Cynthia bei einem Freiluftevent am Uni-Campus ein Lied san... äh ... zum "Besten" gab, hörte sie ein gewisser Jeff Finder. Dieser war so fasziniert von den Tönen, die die junge Frau - jenseits von Gut und Böse - produzierte, dass er sofort versuchte, sie ausfindig zu machen. Es war Cynthias Glückstag. Er finanzierte die Produktion von 1.000 Singles, die im Frühling 1980 "in die Welt" gingen und u. a. auch Teil von "Rhino's Worlds Worst Records" wurde.


"A comedienne extraordinaire and scintillating songstress ... her skirts sometimes mini, but her talent always maxi." (Rock Scene, Januar 1981)

Cynthia hatte etwas, das den Leuten gefiel. Sie war souverän und verkaufte sich gut. Dass sie kein Gesangstalent besaß, war da tatsächlich nebensächlich.
1981 zog sie nach New York, wo sie einige Jahre "performte", ehe sie zurück ans College ging und Jura studierte. Sie lebt und arbeitet ("juvenile defender") heute in Vermont.

Nun zum Text: Natürlich ist mir klar, dass das ganze Projekt "Gloria Balsam" nicht wirklich ernst gemeint war - trotzdem wurde vermutlich nicht wenig Geld hinein investiert und die Singles gibt es ja ... also muss man es trotzdem bewerten!

Eigentlich müsste ich zuerst das Bildcover bewerten. Schwarz-weiß. Es ist ein ganz normaler Tag. Die junge Cynthia sitzt, wie üblich, in ihrem 50er-Jahre Kleid mit ihrer Nerzstola in der Gondel. Als sie ihren Blick über die weißen Handschuhe, die natürlich perfekt zu ihren Strümpfen passen, schweifen lässt, stellt sie fest, dass die "Haltevorrichtung" von Fluffy leer ist. Der kleine Köter muss sich irgendwann unbemerkt aus dem Staub gemacht haben.
Doch wie konnte er Glorias liebevollen und sanftmütigen Rufen widerstehen?

Here, Fluffy
Where are you? Where are you?

First time I saw Fluffy, was a cold December night
Shivering in the darkness by the roadside
A lost and lonesome puppy that couldn't reallywalk, but tried
To run to me somehow, I knew my Fluffy would always be by my side

I took you home and cared for you and nursed you back to health
Everyday we would run and play
How we've grown to love each other, everywhere we go
You and me, somehow I knew my Fluffy would always be by my side


--> Der arme Hund dachte sich wohl, dass das Leben schon beschissen genug ist, wenn man mitten in der Pampa ausgesetzt wird. Das einen dann aber noch eine hysterische junge Frau mit eindeutig zu viel Begeisterung und Liebenswürdigkeit einfach einpackt und mitnimmt, konnte niemand ahnen. Am wenigsten wohl Fluffy, der eigentlich Bob, Bello oder Vladimir hieß. Jedenfalls etwas maskuliner als Fluffy.

Here, Fluffy
Where are you? Where are you?
Oh, how much you mean to me

One day we went camping and little Fluffy got lost
Oh, where? Oh, where could Fluffy be?
We looked but couldn't find you when it was time to go
Somewhere my Fluffy's looking for me


--> Fluffy hat die einzige mögliche Chance genutzt und sich aus den Fängen dieser vermeintlichen Tierliebhaberin entzogen. Vermutlich wäre er sonst zu Tode geschmust, geknuddelt oder gestreichelt worden. Man vermutet, dass er inzwischen - gemeinsam mit Grobi aus der Sesamstrasse - ein Drogenimperium auf Costa Rica eröffnet hat. Eine Liaison mit Daisy (dem Hund von Rudolph Moßhammer) wurde ihm ebenfalls nachgesagt. Möglicherweise eine Zeitungsente.

Now I'm lost and lonesome, I'm wondering everywhere
Looking for my Fluffy, please come home
Got so dark, I lost my way then Fluffy came to me
And led me home, somehow I knew my Fluffy would always be by my side


Here, Fluffy
Where are you? Where are you?
Oh, much you mean to me



Ich vergebe fünf Dosen Chappy an Fluffy, wenn er noch möglichst lange weit weg bleibt!

Tja. Jetzt habt ihr Gloria Balsam gehört und ich glaube, ihr werdet sie nie vergessen. 
Sie beweist aber auch, dass sie eine noch viel bessere Livekünstlerin ist, was das unten stehende Video aus den 80er-Jahren beweist. Anhören auf eigene Gefahr!




Eigentlich hätte Fluffy wieder auftauchen müssen. Oder ein anderer Hund. Oder Fledermäuse. Die Frequenzen, in denen sich Gloria Balsams Töne bewegen, sind normalerweise (mein Beileid!) nur von Tieren hörbar. Der angerichtete Schaden kann allerdings nicht beziffert werden. Der Markt für Tier-Ohropax ist leider recht klein.

Ja. Die meisten Dinge wissen wir erst dann zu schätzen, wenn wir sie nicht mehr haben. Bei den einen sind es kleine flauschige Hunde, bei anderen zwischenmenschliche Kontakte. Ein Kuss, eine Umarmung, ein Händeschütteln, ein achtloses Anrempeln vorm Konservendosenregal im Supermarkt. Irgendwann wird es vielleicht wieder so werden wie früher. Bis dahin tut mir nur BITTE einen Gefallen: Singt und schreibt kein Lied darüber! Danke und Amen.

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