Samstag, 25. April 2020

# 38 - "Die Emma" - Schneewittchen (1978)

Heute gibt es wieder etwas Besonderes auf die Ohren: Frauenpower. Frauenmusik. Frauenlieder. (Alle Machos, die diesen Blog verfolgen, wurden jetzt hoffentlich nicht vor Schreck in einen komatösen Zustand versetzt. Falls doch, hoffe ich, dass es noch Rettung für euch gibt!)




SCHNEEWITTCHEN
Die Emma (M & T: Bruni Regenbogen)
ausgekoppelt aus der LP "Zerschlag' deinen gläsernen Sarg"

1978, Philips

Mitglieder:
Angi Domdey (* 1950) - Gesang, Gitarre, Percussion, Querflöte
Anka Hauter - Gesang, Gitarre, Mundharmonika, Querflöte, Saxophon
Bruni Regenbogen - Bass, Bratsche, Geige, Gesang, Gitarre, Querflöte
Rotraut Colberg - Akkordeon, Bass, Cello, Gesang, Klavier, Schlagzeug


Die Jazzsängerin Angi Domdey und die Künstlerin und Musikerin Bruni Regenbogen lernten sich im März 1977 auf einem Frauenmusiktreffen in Göttingen kennen. Gemeinsam mit Anka Hauter und Rotraut Colberg gründeten sie Anfang 1978 die Band "Schneewittchen". In ihren Liedern setzten sie sich für die Befreiung und Selbstverwirklichung von Frauen ein. Die Gruppe - übrigens eine der ersten Frauen-Profibands Deutschlands, da sie von Management, Technik bis zum Transport alles in Eigenregie übernahmen - bestand bis 1981 und veröffentlichte vier Alben. Ihre Musik begleitete die deutsche Frauenbewegung der 70er- bis 90er-Jahre.
Das von Angi Domdey geschriebene Lied "Unter dem Pflaster liegt der Strand" ist eines ihrer bekanntesten Lieder.

Heute widmen wir uns aber mit einem Lied ihrer ersten LP einem deutlich emanzipatorischeren Thema. Der direkte Vergleich Mann vs. Frau. Wer darf was und was würde passieren, wenn auf einmal die Rollen getauscht werden könnten?

Wie wär' es wohl, wenn alle Frauen
Emanzipiert aus der Wäsche schauen?

Die Männer, wie erniedrigend
Putzten dann auf dem Knie liegend
Wer früher ein Boss war, schwingt Putzlappen jetzt
Ist da nicht die göttliche Ordnung verletzt?

Ja, da sagen die Männer: "Da ist gemein!
Die Emma-Emanzipation darf gar nicht sein!"
Ja, da sagen die Männer: "Das ist gemein!
Die Emma-Emanzipation darf gar nicht sein!"

Wie wär' es wohl, wenn Männer jetzt
Von Frauen würden als Freiwild gehetzt?
Im Dunkeln würd' keiner alleine mehr geh'n
Auch würd' mancher Lustmord an Männern geschehen
Frigide gemacht und mit Angst in der Brust
Würden sie Sklaven der weiblichen Lust

Ja, da sagen die Männer: "Das ist nicht fair!
Die Emma-Emanzipation bedroht uns sehr!"
Ja, da sagen die Männer: "Das ist nicht fair!
Die Emma-Emanzipation bedroht uns sehr!

Wie wär' es wohl, käm' mancher Spaß
Den Männer hatten, den Frauen zupass?
Kein' Busen geb's mehr als Augenschmaus
Jetzt müssten all die Pimmel heraus
Man würde gleich bei jedem Mann seh'n
Ob seine Formen auch richtig steh'n

Ja, da wär' zwar die Welt für die Männer ein Graus
Doch Frauen lebten endlich mal in Saus un Braus
Ja, da wär' zwar die Welt für die Männer ein Graus
Doch Frauen lebten endlich mal in Saus und Braus

Oh, yeah



Zugegeben: Dieser Song tönt heute ziemlich harmlos und brav daher. In den späten 70ern war das aber gar nicht so einfach, als Frau seine Meinung kundzutun, ernst genommen und respektiert zu werden. Von daher ein großer Respekt an viele Frauen, die sich im Rahmen der Frauenbewegung so stark für die Verbesserung der weiblichen Rechte eingesetzt haben. Vieles, das heute als selbstverständlich angesehen wurde, ist diesen Frauen zu verdanken. Und es ist noch viel Arbeit zu tun ... wenn man feststellt, dass auch über 40 Jahre später Frauen noch immer nicht gleich viel - für die selbe Arbeit - bezahlt bekommen wie Männer. Und wie wir inzwischen gelernt haben, ist nichts selbstverständlich in unserer Zeit und kann sich - erschreckend schnell - auch wieder ändern. Da müssen gar nicht erst einzelne PolitikerInnenköpfe rollen ...

Warum vieles noch nicht so umgesetzt wurde, hat unterschiedliche Gründe. Möglicherweise auch den, das die Frauenbewegung von vielen Männern in hohen Positionen viel zu lang belächelt und erfolgreich verhindert wurde. Zugegeben: Es gibt auch viele Frauen, die diese Bewegung negativ geprägt haben. Emanzipation und Feminismus sind wichtige Themen unserer Gesellschaft, aber - wie bei allen Dingen - löst Extremismus meist das Gegenteil aus. Und nur weil Frauen netterweise wählen dürfen und das "Binnen-I" in offiziellen Schriftstücken eingesetzt wird, ist damit noch keiner Frau auf diesem Planeten auf ewig geholfen. 

Aus dem Bereich des Alltagschauvinismus stammt diese schöne Stilblüte:
"Ich hab' ja nix gegen Feministinnen. Vor allem nicht gegen die mit großen Busen und geilen Hintern." 
Aussagen wie diese bestätigen, dass der Weg, den viele Frauen auf dieser Welt noch zu gehen haben, leider noch ein langer und mitunter beschwerlicher sein wird. Frauen sind kein "Freiwild", nur weil sie einen kurzen Rock tragen und dürfen auch nicht erst dann ihre Meinung sagen, die angehört und akzeptiert wird, wenn sie hässlich wie die Nacht sind. Äußerlichkeiten stehen vielfach zu stark im Fokus und die eigentlichen Absichten dahinter werden nicht gehört oder ignoriert.

Gut. Im Fall von Schneewittchen muss ich einräumen, dass ich mich schon auch frage, warum Feministinnen, die für "Frauenmusik" und "Frauenlieder" stehen, eine hohe Präferenz für die Farben beige, altrosa und violett haben, und selten wie TeilnehmerInnen von Germanys next Topmodel aussehen. 
Das ist möglicherweise eines der großen und ungelösten Mysterien unserer Menschheit . Dazu gehören übrigens genauso die Fragen, wieso in katholischen Gruppierungen alle immer so erschreckend fröhlich sind (sogar zu unchristlichen, frühmorgendlichen Uhrzeiten) und Deutsche bei jedem Lied mitklatschen wollen. Vermutlich sind doch die Illuminati, Ausserirdische, Chemtrails und/oder Gluten schuld daran. #verschwörungmaldrölf!

Wenn auch die Vorstellungen von "Schneewittchen" - heute betrachtet - naiv und angestaubt wirken, hat es damals etwas (und vor allem viele Frauen) bewegt, motiviert und aus der Seele gesprochen ... und weil mitunter einige Männer bei den Performances weniger mit ihren "Pimmeln" beschäftigt waren, haben vielleicht sogar ein paar zugehört ...




Für diese Live-Performance vergebe ich ein Jahresabo der EMMA und wünsche euch einen emanzipierten Samstagabend! Morgen gibt es dann - als Ausgleich - etwas Männlicheres ;)

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