Montag, 20. April 2020

# 33 - "Vater, such' mir einen Mann'" - Sylvia Poluxis (1973)

Zugegeben. Heute ist mein Post auch nicht wirklich früh - aber immerhin bin ich sieben Stunden früher dran als gestern ;) Der heutige Tag startete übrigens ganz gut - das lag vermutlich auch am Wetter! Es ist einfach angenehmer von Sonnenschein geweckt zu werden ..

Das heutige Lied widme ich allen Single-Frauen da draußen, die in der Corona-Krise beschlossen haben, auf ihre lang-erkämpften Frauenrechte zu verzichten und stattdessen die Auswahl eines geeigneten Partners in Familienhände zurückzulegen.




SYLVIA POLUXIS
A: Zwei Jahre und ein Tag (M: Carli / T: Horst Carmienke)
B: Vater, such' mir einen Mann (M: Frank Duval / T: Horst Carmienke) 

1973, Maritim 12 794 AT
produziert von Frank Duval



Drei Plattenfirmen versuchten zwischen 1972 und 1976 mit Sylvia Poluxis ihr Glück. Der große Erfolg blieb aber aus.

"Sylvia Poluxis war viele Jahre an der Spitze der Showstars ihrer Heimat Rumänien. Nach einem Gastspiel in Deutschland bat sie um politisches Asyl und lebt seither in Dannenberg an der Elbe." schrieb die Plattenfirma damals.

Mitte der 70er-Jahre eröffnete sie ein jugoslawisches Restaurant in Dannenberg. Heute soll sie in Hamburg leben. Um 2009 tauchte sie als Moderatorin bei "Nord-Gay-Radio" in Erscheinung (den Sender gibt es heute allerdings nicht mehr).

Führt man ihre zehn veröffentlichten Songs in einer beliebigen Reihenfolge an, so ergeben sich mitunter originelle Kurzgeschichten:

Es war im Abendrot am schwarzen Meer
- Du allein?
Zwei Jahre und ein Tag. Kennst du die Sehnsucht?
Lass mich heut' Abend nicht allein
Es gibt noch Liebe!
- Wie Mephisto kam ein Mann
Väterchen!
- Die Welt ist schön
Ich will Liebe nur von Peter
- Augustin
Vater, such' mir einen Mann!



Textautor Horst Carmienke konnte übrigens nur in Zusammenhang mit Liedern von Sylvia Poluxis gebracht werden. Er lebt nach wie vor in Dannenberg (ein Zufall?). Eine mögliche Verbindung zu Sylvia Poluxis konnte ich auf die Schnelle allerdings nicht herstellen. Aber wer weiß ...

Nun aber zu diesem schönen, eher wenig emanzipierten, Schlagersong, der den patriachal-geführten Heiratsmarkt ankurbeln soll:

Vater
Vater, Vater, such mir einen Mann
Weil ich nachts nicht schlafen kann
Vater, Vater, immer so allein

Vater, nein, das darf nicht sein

Vater, Vater, such' mir einen Mann

Vater, Vater, sagt, das ist so schwer
Jedes Mal verlang ich mehr
Vater, ich bin immer ohne Mann
Wann bekomm' ich einen, wann?

Vater, Vater, such' mir einen Mann

Vater
Vater

Vater, eines Nachts hab' ich geträumt
Wie viel ich schon hab versäumt
Vater, und auf einmal, Gott sei Dank
Hat das Glück auch mich erkannt

Vater, Vater, such' mir einen Mann

Vater
Vati

Groß und blond mit blauen Augen
So ein Mann, der muss was taugen
Tag und Nacht will ich ihn küssen
Und er bleibt, denn er wird müssen

Vater, Vater, such' mir einen Mann
Vater, wann bekomm' ich einen, wann?

Vater






Gut. Wir analysieren den Fall jetzt einmal gründlich: 
Sie braucht einen Mann. Diesen Mann kann ihr aber aus nicht näher definierten Gründen niemand anderes zur Verfügung stellen, als der eigene Vater. Der Hauptgrund für die Notwendigkeit eines Mannes im Haushalt ist der totale Übermüdungszustand von Sylvia P., die zu ihrer Verteidigung anführt: "Weil ich nachts nicht schlafen kann [...] immer so allein [...] nein, das darf nicht sein!".
Anscheinend wurden aber bereits einige Mühen des Vaters unternommen, um einen geeigneten Schwiegersohn bereitzustellen, was aber stets an den konsequent exponentiell steigenden Anforderungen der Tochter scheiterte - diesen Fakt räumt sie auch reuevoll ein ("jedes Mal verlang' ich mehr"). Diesen Umstand scheint sie aber bereits nach kürzester Zeit wieder unter den Tisch fallen zu lassen und agiert heftig protestierend: "Vater, ich bin immer ohne Mann! Wann bekomm' ich einen, wann?"
Ich gebe zu, ich habe solche Gebärden in Spielwarenhandlungen erlebt, als einem nicht näher definierten Kind ein nicht näher definiertes Spielzeug aus einem nicht näher definierten Grunde verwehrt wurde. Aber in Bezug auf die Partnerwahl? Dem Schallplattencover zufolge hat Sylvia P. zu diesem Zeitpunkt das Kleinkindstadium, das ähnliche Vorfälle charmant toleriert hätte, bereits deutlichst überschritten.
In der dritten Strophe berichtet sie dann aber von einer Erscheinung im Traum, die ihr augenscheinlich die Augen geöffnet hat. War es Jesus? War es Gott? Oder doch klassisch Maria, die ihr die Augen geöffnet hat und ihr weismachen wollte, dass für eine handelsübliche Empfängnis Männer ohnehin zweitrangig sind? Man weiß es nicht. Aber immerhin "hat das Glück auch mich erkannt", tönt es freudestrahlend.
Die Attribute sind auch gleich aufgezählt: groß, blond, blaue Augen, arisch. Ach ja, und zu irgendwas "taugen" muss er natürlich auch. Man hat ja schließlich Ansprüche. Kommen wir zum Urteil: Das Opfer erhält Tag und Nacht Küsse und wird in anschließender Sicherheitsverwahrung untergebracht. Dort bleibt er auch, "denn er wird müssen". Das Gericht zieht sich zurück.

Als besonderes Zuckerl vergebe ich für dieses Lied heute fünf Hemden mit Vatermörderkragen ;)

Tja. Diese Lied beweist eindeutig, dass es heutzutage ganz angenehm ist, wenn man die Partnerwahl eigenverantwortlich in Angriff nimmt. Auch wenn es - zugegebenermaßen - aktuell schwierig ist, real neue Menschen kennenzulernen. Und auch Körperkontakt und Zärtlichkeiten wohl erst wieder neu erlernt werden müssen. Aber gut. Vielleicht wird winken aus zwei Meter Abstand bald ein größerer erotischerer Nervenkitzel sein, als sich nackt mit Sprühsahne und Schokosauce einzureiben? Wir bleiben gespannt ;)

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