Freitag, 24. April 2020

# 37 - "Hatschi-Waldera" - Nina Hagen (1975)

Heute machen wir eine weite Reise, in ein Land vor unserer Zeit (nein, nicht Disney Land!). Ein Land, das heute nicht mehr existiert (nein, nicht Fantasialand) - wir gehen heute in die ehemalige Deutsche Demokratische Republik, kurz DDR. Unglaublich, dass es diesen Staat knapp 30 Jahre gegeben hat. Ein gutes (und zweifelhaftes) Beispiel dafür, dass es keine installierte App am Smarpthone bedarf, um seine BewohnerInnen zu überwachen.




NINA HAGEN
A: Hatschi-Waldera (M: Ulrich Gumpert / T: Nina Hagen)
B: Wir tanzen Tango (M: Wolfgang Wallroth / T: Werner Mangalin) 

1975, AMIGA, 4 56 158

Brav und süß tönt die junge Catharina "Nina" Hagen damals bei ihrer dritten und vorletzten Single in der DDR. Ein Jahr zuvor gelang ihr mit ihrem Schallplattendebut "Du hast den Farbfilm vergessen" ein Riesenerfolg. 
Ihre Mutter, die Schauspielerin Eva-Maria Hagen, lebte mit dem Dissient Wolf Biermann zusammen, weshalb auch Nina als "politisch unzuverlässig" galt, was ihr die Aufnahme an der Schauspielschule verwehrte.
Die 1955 geborene Hagen absolvierte eine einjährige Gesangsausbildung und durfte sich  fortan "staatlich geprüfte Schlagersängerin" nennen.
Nach ihrer 1976 erschienen Single "Ich bin da gar nicht pingelig" und "Honigmann" brachte sie eine Solidaritätsbekundung für den 1976 ausgebürgerten Sänger Wolf Biermann ins Abseits, weshalb sie die Chance nutzte und am 28. Dezember des gleichen Jahres offiziell "rübermachte", also in den Westen emigrierte.
Von da an ging es rasant weiter. Im Westen wurde sie schnell bekannt und veröffentlichte zahlreiche Songs. Sie wird heute gerne als "Godmother of Punk" bezeichnet und gilt als großer Einfluss auf die deutsche "New Wave"-Szene.

Nina Hagens "Schlager" waren ein Mittel zum Zweck. Die Lieder, die sie Ende der 70er-Jahre in Westdeutschland machte, wären in der DDR undenkbar gewesen. Hier musste die Systemkritik etwas harmloser und versteckter ablaufen. Schließlich mussten auch Schlagertexte vor Veröffentlichung von der Zensur geprüft werden.

Ich bin erkältet, ich habe einen Schnupfen
Und ich kann nicht im Sonnenschein rumhupfen
Ich steh' am Fenster und schau' in unser'n Garten
Hinaus, denn da stehst du und winkst mir zu

Hatschi-Waldera
Du bist so süß, hutziputzi
Hatschi-Waldera
Ich hab' dich lieb

Hatschi-Waldera
Und wenn ich wieder gesund bin
Dann küss' ich, dann küss' ich
Dann küss' ich eintausendmal

Du bringst mir Blumen und Ostereierdragees
Weil ich die am liebsten von unser'n Bonbons ess
Noch eine Woche, dann komm ich wieder raus
Und kann mit dir zusammen sein, so wie vorher

Refrain



Das Video zeigt Nina bei einem Auftritt in einer osteuropäischen TV-Sendung. Anmoderiert wird sie von Karel Gott. Kennt man Nina Hagens schrilles und extrovertiertes Auftreten, dann kann man kaum glauben, dass sie und diese 21jährige Frau mit Häkelponcho und bravem Bubikopf ein und dieselbe Person sind.

Ist das nicht herrlich? Eine derart verschnupfte Liebesbekundung? Ich meine gut, heute ist das nicht mehr möglich. Da würde ein Niesen ohne Handvorhalten oder ohne Schutzmaske wohl bereits als erschwerte Körperverletzung oder zumindest als Scheidungsgrund gelten.
Dieser Titel, der sich in Machart und Arrangement ein bisschen dem 30er-Jahre-Comedian-Harmonists-Stil annähert, hat auf jeden Fall sehr viel Charme und wird putzigst vorgetragen. Besonders schön finde ich ja die "Nies-Koloraturen" ab Minute 2:25.

Da kann ich nur sagen fünf Vorratspackungen Taschentücher mit Menthol gibts als Wertung von mir für diesen intensiven Liebessong!

Habt einen schönen Start ins Wochenende und denkt daran, immer wenn irgendwo ein Mensch niest, heißt es, dass jemand gerade verliebt an jemanden denkt ... oder Schnupfen hat ... oder Pollenallergie ... oder Hausstauballergie ... oder an zu viel Pfeffer geschnüffelt hat ... egal ... Haaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaatschi ... Gesundheit euch allen!

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