Montag, 4. Mai 2020

# 47 - "15 ist ein undankbares Alter" - Juliane Werding (1972)

Der heutige Titel schockiert mich. Nicht wegen des Textes oder Gesangs. Nein. Sondern weil mir dadurch bewusst wird, dass mein eigenes 15-jähriges Ich - mit heute - 15 Jahre her ist. Und es fühlt sich noch immer an, als wäre es gestern. Nur sitze ich heute auf meiner Couch, in meiner Wohnung, 130 km von meinem Elternhaus entfernt.
Was würde ich wohl jetzt meinem 15-jährigen Ich sagen? Wahrscheinlich: "30 ist auch ein undankbares Alter" ;) ... nein. Ich glaube, dass ich ihm sagen würde, dass er mehr an sich glauben soll ... an das, was in ihm steckt ... und sich weniger Gedanken um das machen soll, was andere von ihm halten oder in ihm sehen wollen. So ungefähr. Außer vielleicht, dass er sich mit 17 nicht die Haare färben soll ... aber gut, solche Fehler macht jeder mal ;)
Aber im Großen und Ganzen hat sich nicht so viel geändert zwischen uns ... wenn man vom Gewicht und der Anzahl an grauen Haaren absieht ... ;)





JULIANE WERDING
15 ist ein undankbares Alter (M: Dieter Zimmermann / T: Hans-Ulrich Weigel)

1972, Hansa
aus der LP "In tiefer Trauer"
produziert von Peter Meisel

Juliane Werding wurde 1956 in Essen geboren. Im Juni 1971 hatte sie ihren ersten Fernsehauftritt im SWR-Talentschuppen und erhielt bereits vor der Sendung ihren ersten Plattenvertrag.
Gleich ihre erste Single "Am Tag, als Conny Kramer starb" schlug im Frühjahr 1972 ein. Der Song erreichte Platz 1 der deutschen Charts und konnte sich 14 Wochen in den Top-10 halten. Die Single verkaufte sich mehr als 1.000.000-mal - das folgende Album "In tiefer Trauer" 100.000-mal. Juliane wurde über Nacht berühmt - Ende des Jahres erhielt sie die "Goldene Europa" und den goldenen "Bravo-Otto" als beliebteste Sängerin des Jahres.
Trotz dem ganzen Ruhm machte sie 1973 ihre mittlere Reife und absolvierte danach die Handelsschule.
Juliane Werding ist eine der wenigen SängerInnen, deren Karriere mehr als drei Jahrzehnte überdauerte. Weitere Hits waren "Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst" (1975), "Nacht voll Schatten" (1983), "Stimmen im Wind" (1985), "Sehnsucht ist unheilbar" (1985), "Sie weiß, was sie will" (1992), "Du schaffst es" (1993) oder "Engel wie du" (1994 - mit Viktor Lazlo und Maggie Reilly). Insgesamt hat Juliane Werding, die Mutter zweier Kinder ist, mehr als 25 Millionen Platten verkauft.
Bereits in den 80er-Jahren begann Werding eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. 2009 zog sie sich aus dem Showgeschäft zurück, um dieser Tätigkeit wieder in einer Gemeinschaftspraxis in Starnberg nachzugehen.

Den Beginn ihrer Karriere prägte auch Hans-Ulrich Weigel (wir erinnern uns an seinen Namen durch die Zusammenarbeit mit Carola) mit. Weigel, dem 1971 mit "Mamy Blue" ein Riesenerfolg für Ricky Shayne glückte, versuchte sich in die damals 15-Jährige hineinzuversetzen - und es gelang ihm auch. Die Lieder passen zum damaligen Zeitgeist und machen Juliane über Nacht zur "Problemsängerin" - im positiven Sinn. Sie spricht die Themen an, die die Jugendlichen interessieren - Drogen, Umweltverschmutzung, Ausgrenzung, Krieg, Technisierung, aber auch Frieden und Freundschaft. Kurzum ein großer Coup.

Komponist Dieter Zimmermann war nicht nur kurzzeitig mit Agnetha Fältskog (ja, die von ABBA!) verlobt, sondern auch musikalisch für den deutschen Grand-Prix-Beitrag 1971 ("Diese Welt" von Katja Ebstein) verantwortlich - immerhin Platz 3! Leider starb er bereits 1978 - im Alter von 34 Jahren - an Leukämie.

15 ist ein undankbares Alter
Du siehst aus 17
Doch sie behandeln dich wie 13

15 ist ein undankbares Alter
Du hast Probleme mit der Liebe und dem Leben
Und darfst noch nicht darüber reden

Du fühlst dich bewacht, wie in einer Kaserne
Doch von deinem Taschengeld leben Konzerne
Es gibt eine Zeitung extra für dich
Doch nach deiner Meinung fragen sie nicht

Refrain


Deine besten Freunde will man dir vermiesen
Deine Ideale, die tritt man mit Füßen
Doch du findest dich ab und denkst, das wird sich geben
Und du lernst mit dem schlechten Gewissen zu leben

Refrain




Zimmermann und Weigel entwickelten einen speziellen Sound, der sich vom damals üblichen seichten Schlagereinerlei deutlich abhebt. Es klingt ehrlicher, moderner, revolutionärer. Man fühlt sich nicht nur verstanden, sondern auch ernst genommen. Zudem hat Juliane etwas Cooles - auch in ihrer Stimme - und sie findet Gehör: frei nach dem Motto "eine von uns, die sagt, was wir denken".

Für diesen nostalgischen Song geb ich doch glatt fünf Bravo-Zeitungen!

Spannend, wenn man sich den Text anschaut. Der hat auch fast 50 Jahre später kaum an Aktualität verloren. Ich glaube vielen Jugendlichen würde der Titel auch heute noch aus dem Herzen sprechen ... wenn sie kurz mal auf Snapchat, Instagram oder tiktok verzichten würden.

Leider gehört aber das Erwachsenenwerden zum Leben dazu. In dieser Hinsicht ist es schon ganz praktisch, nicht mehr 15 zu sein. Allerdings ist 30 manchmal auch ein undankbares Alter, merke ich zumindest jetzt gerade ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen